Vegan? Praktische Konsequenzen aus den Rechten der Tiere

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Immer öfter ist die vegane Lebensweise Thema gesellschaftlichen Interesses – ob im Bekanntenkreis, Presse oder Fernsehen, im Restaurant oder der Kantine. Doch immer noch stoßen Veganer auf Vorurteile und werden als Extremisten angesehen.

Veganer streben an, das durch eigenes Verhalten verursachte Leiden anderer Tiere zu vermeiden. Sie leben rein vegetarisch, also ohne Milchprodukte, Eier oder Honig, ohne Leder und Wolle. E und soweit wie möglich auch ohne all die anderen Dinge, deren Herstellung tierische Substanzen erfordert oder für die Tiere direkt oder indirekt leiden müssen.

Die Motivation für eine vegane Lebensweise kann sehr unterschiedlich sein. Die Tierrechtsbewegung mit ihren auf verschiedenen ethischen Ansätzen basierenden Forderungen nach einer gleichen Berücksichtigung gleicher Interessen von Menschen und Tieren hat daran einen großen Anteil, doch auch sozialkritische, ökologische, religiöse oder gesundheitliche Aspekte können primäre Gründe darstellen. Hier seien nur die globale Ernährungssituation, der Flächenverbrauch der Futtermittelproduktion und die vielen Umweltprobleme der industriellen »Tierhaltung« erwähnt. Die vegane Lebensweise berücksichtigt die Interessen von Menschen, Tieren und der Natur, denn ohne den unökonomischen »Umweg« über Fleisch und andere Produkte tierischen Ursprungs könnte mit der heutigen Produktion an pflanzlichen Lebensmitteln ein Vielfaches der menschlichen Weltbevölkerung ernährt werden. Dies bedeutet umgekehrt, daß Flächen, die heute zum Anbau von Futtermitteln oder zur »Tierhaltung« selbst dienen, an die Natur und damit an freilebende Tiere zurückgegeben werden könnten. Die gesundheitlichen Vorteile einer Ernährung, welche die Hauptursachen vieler Zivilisationskrankheiten meidet, tragen ebenfalls zu Verbesserungen der persönlichen wie der gesellschaftlichen Situation bei. Und »Lebensmittel«-Skandale wie BSE, Scrapie, Salmonellen, Hormone, Bakterien und Dioxin in tierischen Produkten können Veganer gesundheitlich nicht beunruhigen. Der oft nur als Ablehnung bestimmter Produkte wahrgenommene Lebensstil hat also weit umfassendere Auswirkungen auf unsere Welt, als »nur« den Respekt der grundlegenden Lebensinteressen der zur Nahrungsmittelproduktion missbrauchten Tiere.

Immer mehr Menschen möchten die Rechte der Tiere und ihr eigenes Interesse an einem gesunden Leben praktisch umsetzen und werden Vegetarier. Dies ist wichtig und begrüßenswert, doch es bedeutet noch nicht den letzten Schritt auf dem Weg zur Achtung der Rechte der Tiere. Eine Kuh oder ein Huhn hat in der Landwirtschaft nur solange ein Lebensrecht, wie ihre oder seine Produktionsleistung zufriedenstellend ist. Die vielfach in den Medien angeprangerten Herodesprämien für Kälber verdeutlichen die weiteren Probleme des Systems: Kuhmilch ist für die Ernährung von Kälbern bestimmt. Doch die Kälber der »Milchkühe« werden heutzutage für EU-Tötungsprämien bereits als Tierkinder hingerichtet, ähnlich wie die männlichen Nachkommen der »Legehennen«-Zuchtlinien. Bei Betrieben der »alternativen« Landwirtschaft ist die Situation im Vergleich zur üblichen »Tierhaltung« etwas weniger schlecht. Verbindet man jedoch mit solchen Haltungsformen Bilder glücklicher Tiere in freier Natur, verdeutlicht die Lektüre der Haltungsrichtlinien der Bioverbände allzu schnell, daß auch hier das Wohl der Tiere eindeutig den kommerziellen Interessen untergeordnet wird.

Bei dem Versuch, aus diesen Überlegungen praktische Konsequenzen zu ziehen, scheint man auf unüberwindbare Hindernisse zu stoßen. Nicht nur in Lebensmitteln, in praktisch allen Produkten können tierische Stoffe enthalten oder in der Produktion genutzt worden sein, selbst wenn es nur um den Klebstoff in der Verpackung geht. Daher wird Veganer oft vorgehalten, sie könnten nie einen konsequenten Lebensstil verfolgen.

Doch eine vegane Lebensweise in dem Sinne, bekannte Produkte tierischen Ursprungs zu vermeiden, ist heute spätestens nach einer gewissen Übergangsphase ohne größere Probleme realisierbar. In den letzten Jahren haben sich bei der öffentlichen Diskussion und der praktischen Durchführung einer veganen Ernährung deutliche Fortschritte gezeigt. Sie wird immer häufiger in den Medien thematisiert, und in Bioläden, Reformhäusern und auch Supermärkten findet man mehr und mehr vegane Produkte. Auch in deutscher Sprache gibt es nun die verschiedensten Ratgeber zu veganem Leben. Auf medizinischer Ebene findet man z.B. mit der bekannten Untersuchung von Gill Langley wissenschaftlich fundierte Unterstützung auch für eine rein vegetarische Lebensweise, und entgegen mancher Vorurteile erfreuen sich viele Verganer eines längeren Lebens bei bester Gesundheit.

Mit alltäglichen Kaufentscheidungen kann man also einen Großteil dessen, was man für das Wohl der anderen Tiere auf diesem Planeten tun kann, erreichen. Nimmt man auch die letzten Prozente und Promille des Weges zur Perfektion in Angriff, steigt der Aufwand stark an und würde in letzter Konsequenz die Abkopplung vom heutigen Wirtschaftskreislauf bedeuten. Dies ist nicht das Ziel einer Bewegung, die eine Umorientierung der Beziehung unserer Gesellschaft zu den Tieren erreichen will. Durch die eigene Lebensweise können wir aber Zeichen setzen, ohne selbst vollständige Perfektion erreicht zu haben. Wir können den Absatz tierischer Produkte verkleinern und den Markt für vegane Produkte attraktiver machen. So stoßen wir langsam Veränderungen im Sinne der Tiere an. Durch konsequentes eigenes Verhalten und ehrliche Argumente können wir erreichen, daß aufgeschlossene Menschen sich mit unserem Thema beschäftigen. Dann wird es in einer zukünftigen Gesellschaft nicht mehr Fronten zwischen Tiernutzern und Tierrechtlern geben, sondern wir werden gemeinsam auf die Ausnutzung der Tiere so zurückblicken, wie wir es heute auf die Sklavenhaltung und Rassenschranken der Vergangenheit tun.

»Die besondere Zurückhaltung von heute wird das Mindestmaß menschlichen Verhaltens von morgen sein. Zur Zeit der spanischen Inquisition war die Meinung, man solle nicht allzuviele Ketzer verbrennen, ganz sicher Ausdruck gesunden Menschenverstandes und angemessener Mäßigung. Extreme und unvernünftige Stimmen verlangten damals, man dürfe gar keine verbrennen«.
Maurice Maeterlinck (1862-1949)

Matthias Boller

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