Der Fleischatlas von Böll-Stiftung und BUND aus veganer Perspektive

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„Die globalen Ungerechtigkeiten […] lassen sich an nichts anderem so deutlich ablesen wie am Verbrauch von tierischem Eiweiß“ Barbara Bauer, Le Monde diplomatique

Der kürzlich erschienene „Fleischatlas“ hat ein großes Medienecho gefunden. In Wort und vor allem Bild dokumentiert der Bericht auf gut 50 Seiten die grausame Praxis und die weltweiten Konsequenzen des Fleischkonsums. Gute Argumente für Veganer?

Wir halten nicht allzu viel von ständiger Vegan-Propaganda und finden, dass eine inspirierte, positive Lebensführung das beste Mittel ist, immer mehr Menschen für das Vegansein zu gewinnen.
Trotzdem gibt es immer wieder Gelegenheiten, die vielen sachlichen Argumente darzulegen – gerade wenn Menschen beginnen, sich für den Hintergrund tierischer Nahrungsmittel zu interessieren. Hier könnte der Fleischatlas hilfreich sein. Er stammt nicht etwa von PeTA oder Vegetarierbund, sondern von einem nicht als vegan-ideologisch verdächtigen Trio: Der grünen Böll-Stifung, dem umweltschützenden BUND und der internationalen linken Monatszeitschrift „Le Monde diplomatique“. Das weckt Hoffnungen auf gut recherchierte Infos, aber auch Sorge vor der auf Naturschutzseite oft gezeigten Fortschrittslosigkeit in Sinne romantisch verklärter „traditioneller“ Landwirtschaftsformen.

Die kommen hier auch vor, aber äußerst selten und vielleicht sogar ein bisschen verschämt. Im Wesentlichen ist der Atlas ein Kompendium von Pro-Vegan-Argumente, ohne dass die praktischen Konsequenzen aus der Situation allzu oft explizit erwähnt werden. Auch langjährige Vegan-Aktivisten können im Atlas viele neue und erhellende Perspektiven auf die globale Lebensmittelwirtschaft finden.
Für alle Leser ist es sicher erschütternd, so klar die Details einer global Gesellschaft zu sehen, die allein schon durch ihren Konsum tierischer Produkte mit voller Wucht gegen alle denkbaren natürlichen Belastungsgrenzen fährt – seien es Wasser, Energie, Klimawandel oder schlicht der harte Verdrängungswettbewerb beim Kampf um Rohstoffe, bei denen immer die Schwachen verlieren.
Die Verknüpfung der Fakten und ihre graphische Aufarbeitung ist dabei immer außergewöhnlich gelungen, und auch außergewöhnlich hilfreich und erhellend. Ein interessanter Textexkurs über die Bedeutungshistorie von Wörtern wie „Fleisch“ gibt zudem Argumente dafür, diese Begriffe in naher Zukunft vielleicht auch für entsprechende rein pflanzliche Produkte zu verwenden und damit das Vegansein noch ein bisschen mehr in den Mainstream zu tragen.

Fazit: Der Atlas ist optisch und inhaltlich außergewöhnlich gut gelungen, ideologisch unverdächtig, kostenfrei verfügbar und spannend zu lesen. Empfehlenswert!

Hier noch eine mehr oder weniger zufällige Sammlung interessanter Fakten:
– Die EU zahlt seit den achtziger Jahren jährlich Milliardenbeihilfen für die industrielle Fleischerzeugung. Der Anteil staatlicher Zuschüsse an den Erlösen für Fleischprodukte in den Industrieländern liegt aktuell zwischen ca. 6 % für Eiern bis zu 12 % für Schaffleisch. Peaks lagen zwischen 1995 und 1997 bei Milch (mehr als 46 %) und Schaffleisch (mehr als 42 %).
2011 zahlte die EU 3 Milliarden Euro allein für direkte Hilfe an Fleischerzeuger – nicht einbezogen sind hier die umfangreichen indirekten Unterstützungen.
– Die externalisierten (also der Gemeinschaft auferlegten) Kosten für Stickstoffdüngung, die im Wesentlichen für die industrielle Tiermast verwendet wird, schätzt eine Studie auf insgesamt 70-320 Milliarden Euro allein für die Europäische Union.
– Die Landwirtschaft verbraucht weltweit 70 % des verfügbaren Süßwassers. Ein Drittel davon fließt in die Nutztierhaltung. Ein Kilogramm Rindfleisch erfordert 6,5 kg Getreide, 36 kg Raufutter und 15.500 Liter Wasser.
– 30 % der kultivierten Landfläche weltweit werden direkt für den Futteranbau verwendet, bei einer Gesamtbetrachtung der Mengenflüsse der Haupt- und Nebenprodukte dienen 75 % der Äcker weltweit direkt oder indirekt der Tierfütterung. Graphiken stellen dar, wie die Landnutzung international verteilt ist und wie viel landwirtschaftliche Rohstoffe von den Industrieländern in anderen Kontinenten nachgefragt und importiert werden.
– 98 % des angebauten Sojas gehen in die die gekoppelte Herstellung von Sojaöl und Tierfutter, nur ca. 2 % in direkte Ernährung des Menschen, z.B. in Form von Tofu und Sojamilch.
– Statistisch verzehrt jeder Deutsche in seinem Leben insgesamt 1.094 Tiere. Dazu gehörten 945 Hühner, 46 Schweine, 37 Enten, zwölf Gänse, vier Rinder und vier Schafe.

 

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